Gebetsgedenken für die Stifterfamilie unserer Kirche

 

Das Liebfrauenstift Neustadt wurde am 12. August 1356 von Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz, als Memoria – also Gedenk- und Gebetsstätte – für seine Fürstenfamilie Wittelsbach gegründet. Als Stiftskirche hat man die alte Neustadter Pfarrkirche St. Ägidius umgebaut und mit einem prächtigen Chor nach Osten hin erweitert. Diesen Chorbereich erhielten wir von der Diözese Speyer als neue, feste Heimat für den alten Ritus in unserem Bistum.

Bis zur Reformationszeit wurde die Stiftskirche im Sinne ihres Gründers verwendet. Es ruhen in ihr die beiden wittelsbacher Kurfürsten Rudolf II. (1306-1353) und sein Bruder Ruprecht I. (1309-1390), sowie die Kurfürstinnen Margarethe von Sizilien-Aragon (2. Ehefrau von Kurfürst Ruprecht II.), Beatrix von Berg (2. Ehefrau von Kurfürst Ruprecht I.) und Blanca (1392-1409), Prinzessin von England, Gemahlin von Kurfürst Ludwig III.

Insgesamt enthält das älteste Seelbuch des Neustadter Liebfrauenstiftes ausdrückliche Gebets- bzw. Messverpflichtungen für 12 Mitglieder des Hauses Wittelsbach, nämlich:

für Herzog Ludwig II. von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein († 2. 2. 1294),

für Herzog Rudolf I. von Oberbayern und Pfalzgraf bei Rhein († 11.8.1319),

für Kurfürst Rudolf II. von der Pfalz († 4.10.1353, in der Kirche begraben),

für Kurfürstin Beatrix geb. von Sizilien-Aragon († 12.10.1365),

für Kurfürstin Elisabeth, geb. von Namur († 29. 3. 1382; 1. Gemahlin Ruprecht I.),

für Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz († 16.2.1390, in der Kirche begraben),

für Kurfürstin Beatrix geb. von Berg († 16. 5. 1395; in der Kirche begraben),

für Kurfürst Ruprecht II. von der Pfalz († 6.1.1398),

für Kurfürstin Blanca, Prinzessin von England (†22.5. 1409, Gemahlin von Ludwig III.; in der Kirche begraben),

für Rupprecht III., deutscher König und Kurfürst von der Pfalz (†18.5. 1411),

für Königin und Kurfürstin Elisabeth geb. von Hohenzollern-Nürnberg (†26.7. 1411, Gemahlin von Rupprecht III.),

sowie für Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz († 12.12.1476), auch genannt der "Pfälzer Fritz", Stammvater und Begründer der wittelsbacher Seitenlinie der Fürsten zu Löwenstein.

 Epitaph Pfalzgräfin Margarete von Sizilien-Aragon, Stiftskirche Neustadt

Nach 210 Jahren ward das Stift 1566 aufgelöst und der protestantische Kult in der Kurpfalz eingeführt. Damit endete in Neustadt jeglicher katholischer Gottesdienst. Nach dem neuen Glauben wurde nicht mehr für die Verstorbenen gebetet, womit auch der ursprüngliche Zweck der Stiftung in Vergessenheit geriet.

Als man den katholischen Gottesdienst in der Kurpfalz wieder erlaubte, verwalteten die Jesuiten ab 10. Januar 1700 die kath. Pfarrei Neustadt. Am 21. November 1705 sprach man den Katholiken den Chor der alten Stiftskirche zu, während die Protestanten das größere Langhaus mit den Türmen erhielten, da ihre Gläubigen in der Überzahl waren. 1707 wurden die beiden Teile der Stiftskirche mit der heute noch existierenden Mauer getrennt, die jetzt die Rückwand unseres Kirchenbereichs bildet. Die Jesuiten ließen im Chor den prächtigen barocken Hochaltar fertigen, der mit seiner oberen Gloriole dem des Petersdomes in Rom nachempfunden ist und nun zur Hauptstätte der tridentinischen Zelebration im Bistum Speyer wurde.

 

 Hochaltar der Jesuiten, mit Gloriole. Zelebrationsort der Tridentinischen Messe in Neustadt. 

Seither fing man wieder an, offiziell für die Verstorbenen des Hauses Wittelsbach zu beten, wozu die Stiftskirche eigentlich errichtet worden war. Die Jesuiten ließen die alten Wittelsbacher Gräber instand setzen und es existiert aus dieser Zeit auch eine neue Gebets- und Messverpflichtung für Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz († 8.6.1716).

Der kath. Teil  des Gotteshauses (Chor der Gesamtkirche) diente nun bis Sommer 1862 als alleinige katholische Pfarrkirche. Da dieser Chor der Stiftskirche für die wachsende Gemeinde schon lange zu klein geworden war, finanzierte der Wittelsbacher König Ludwig I. von Bayern den Neustadter Katholiken die benachbarte neugotische Marienkirche als neue Pfarrkirche. Somit hatte Neustadt ab 1862 eine große, neue Marienkirche und der katholische Teil der Stiftskirche sank zur Filialkirche herab. König Ludwig I. wünschte beim Neubau jedoch, dass die altehrwürdige Stiftskirche – wenn auch nur noch Filialkirche – weiterhin als Gedenkstätte seines Hauses diene und für das Herrschergeschlecht Wittelsbach darin Gottesdienste abgehalten werden sollen.

Diese Tradition und Verpflichtung greifen wir als Gemeinde des alten Ritus in der Diözese Speyer gerne auf und ist uns ein Ehrendienst. Wir feiern in regelmäßigen Abständen Hl. Messen für die Verstorbenen des pfalz-bayerischen Herrscherhauses Wittelsbach, wie es die Gründer der Neustadter Stiftskirche vor 650 Jahren für alle Zeit wünschten und wie es 1862 König Ludwig I. nochmals in Erinnerung rief.

Ohne das Haus Wittelsbach gäbe es vermutlich heute keinen Katholizismus mehr in Deutschland. Kurfürst Maximilian I. erhob außerdem Maria zur Schutzfrau Bayerns und ließ ihr die Mariensäule im Herzen Münchens errichten. Bis zum Ende der Monarchie zierte das Bildnis der Gottesmutter die bayerischen und pfälzischen Münzen. König Ludwig III. erbat mitten im 1. Weltkrieg von Papst Benedikt XV. die Einführung des Hochfestes „Maria Patrona Bavariae“, welches durch päpstliches Dekret vom 26. 4. 1916 für Bayern einschließlich der Pfalz genehmigt wurde. Die marianischen Farben weiß und blau dienten dem Haus Wittelsbach als Wappen und die Herrscher ließen ihre Herzen in der Gnadenkapelle von Altötting beisetzen. Für die Gebiete des alten Königreiches Bayern (also auch für die Pfalz) gibt es zu Marienfesten ein Indult, das in Anlehnung an die wittelsbachischen Hausfarben, die Benutzung von Messgewändern mit der ansonsten verbotenen Grundfarbe blau erlaubt.

         

Erzbischof Ranjith 2008 mit einer blauen Messkasel in Wigratzbad (links); blaue Messkasel, gefertigt um 1740 aus einem Prunkgewand des Kurfürsten  Karl III. Philipp von der Pfalz (rechts)  

 

Die katholische Kirche – besonders in Bayern und der Pfalz - hat dem Haus Wittelsbach unendlich viel zu verdanken. Mit unserem Gebetsgedenken entsprechen wir jener vornehmen Dankgesinnung, die Bischof Dr. Ludwig Sebastian den Speyerer Gläubigen beim Sturz der Monarchie, unabhängig von der Staatsform ans Herz legte: „Gewiß wäre es vor Gott und der Welt nicht recht, wenn wir des vielen Guten vergessen würden, das die Huld unseres Herrscherhauses, das pfälzischen Gauen entstammt, unserer Diözese zugewendet hat. Immer wollen wir in Treue dankbar bleiben allen jenen, die uns Gutes erwiesen haben. Treue und Dankbarkeit ehrt vor den Menschen und ist ein sicheres Unterpfand zeitlichen Wohlergehens und himmlischer Segnungen. Das wird uns jedoch nicht abhalten, der neuen Regierung .... unsere Arbeit zur Verfügung zu stellen.“ (Hirtenbrief vom 16. November 1918)

 

Das letzte Bayerische Königspaar Ludwig III. und Marie Therese betet Christus den König an.

(Hochaltarbild in der Pfarrkirche von Wildenwart/Chiemsee)